Dienstag, 22. Juni 2010

A real disaster

Momentan herrscht in Swedru Ausnahmezustand. Schulen sind geschlossen und das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Der Grund dafür ist, dass es seit Sonntagabend zwei Swedrus gibt. Es gibt den Süden, in dem ich wohne und den Norden, im dem das Stadtzentrum liegt und das ich momentan nicht erreichen kann und es auch besser nicht versuche.
Die ganze Nacht zum Sonntag bis zum Nachmittag hat es geregnet. 14 Stunden tropischer Platzregen ohne Unterbrechung. So einen Regenschauer habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Schon die Woche vorher hat es viel geregnet. Am späten Sonntag Nachmittag kamen dann die ersten Meldungen, dass das Wasser des eigentlich kleinen Flusses, der durch Swedru fließt über die Ufer getreten sei. Als es gedämmert hat bin ich mit meiner Gastfamilie zur nächstgelegen Straße, die den Fluss auf einer Brücke überquert. Als ich aus dem Haus kam, fing ich schon an mich zu wundern, den normalerweise kann man den Fluss nicht rauschen hören, so allerdings an diesem Abend. Als ich aus unserer Siedlung auf die Straße kam, wurde mir klar, wie groß die Ausmaße der Überflutung sein mussten. Unzählige Menschen waren da und Leute haben ihre Sessel und Kleider aus ihren Häusern auf die Straße geschleppt, an der sie Freunde abgeholt haben. Schockiert war ich, als ich nach wenigen Metern am Wasser stand. Besser gesagt, dass Wasser stand auf der Straße. Es war schon dunkel und den Fluss selber konnte man nur hören. Das Wasser war aber bis zu 200 Meter weiter als das eigentliche Flussbett verläuft. Dazu liegt der Fluss relativ tief in einer Senke. In der Trockenzeit war der Fluss gerade mal Knöcheltief und man hat in dem riesigen Flussbett nach dem Wasser gesucht. In der Dunkelheit hätte ich eigentlich die Umrisse der Brücke sehen müssen, allerdings waren dort nur Unmengen von tosendem Wasser.
Im Laufe des Abends hat man von Bekannten immer mehr Geschichten gehört. Auch ein anderer Freiwilliger musste seine Sachen räumen und umziehen. Einige junge Männer haben auch bei uns geschlafen, weil sie den Fluss nicht mehr überqueren konnten und so nicht nach Hause kamen.
Seit Sonntagnachmittag bis Montagabend hatten wir auch keinen Strom, über 30 Stunden. Auch Wasser haben wir seit Sonntag keins mehr und nach Aussagen eines Klempners ist irgendwo ein Hauptrohr vom Wasser zerstört wurden und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis wir und ganz Swedru wieder Wasser bekommen. Aber das sind nur meine kleinen persönlichen Probleme, die Ausmaße hat man am Montag morgen gesehen. Die beiden Brücken, die Swedru Süd und Nord verbinden sind zerstört. Die Straßen am Fluss wurden weggespühlt. Unzählige Häuser in der Nähe des Flusses sind zerstört, die Güter in den Geschäften nicht mehr verkaufbar und das allerschlimmste es gab viele Tote. Menschen haben versucht ihre wenigen Habseligkeiten zu retten und sind dabei vom Wasser mitgerissen worden, manche scheinen auch eingeschlossen worden zu sein. Es ist fast unvorstellbar, wenn man weiß, wo dieser kleine Fluss (nicht größer als die Este) überall hingekommen ist. Rettungsboote und Helikopter gibt es hier nicht, es war noch nicht mal viel Polizei zu sehen, die die Bruchstellen der Straßen gesichert hätte.
Swedru ist in einer Senke gelegen, durch die der Fluss fließt. Ich habe Glück und wohne auf der Spitze eines der Swedru umschließenden Hügel und so ist das Wasser nicht in unsere Nähe gekommen. Meine Familie und auch ich kennen aber viele, die betroffen sind. Der Vater meiner Schulleiterin hat die gesamte Ausstattung seines Geschäftsverloren, die Schwester meiner Schulleiterin ihr Haus und all ihr Hab und Gut und auch ein Vater einer Schülerin soll gestorben sein. Auch Container sind davon gespühlt worden, in denen die Menschen ihre Geschäfte, Werkstätten oder Friseursalons haben. Von einem sollen auch Hilfeschreie gekommen sein, denn die Besitzer hatten sich vor der Welle auf das Dach gerettet und wurden dann davon gespühlt.
Von diesen Beispielen kann ich unzählige aufzählen. Auch jetzt ist meine Gastmutter bei einem weiterem Bekannten, der alles verloren hat. Die Menschen berichten von Kühlschränken, die auf dem Fluss schwimmen, Maschienen, Matratzen und alles erdenklich mögliche.
Am Montag ist Markttag und so war gestern morgen die Stadt voller gestrandeter Menschen aus den anderen Dörfer und vom Meer, die ihren Fisch oder ihr Obst und Gemüse verkaufen wollten. Zum Markt gab es aber kein Durchkommen. Eine Brücke „steht“ zwar noch, ist aber stark Einsturz gefährdet. Hinüber gehen sollte man besser nicht. Autos ist es strikt verboten sie zu überqueren (eigentlich auch den Menschen). So haben die ganzen Marktfrauen einfach auf einer Tankstelle und der Straße angefangen ihre Sachen zu verkaufen. Mit den ganzen in eine Sackgasse laufenden Autos, den Marktfrauen und Schaulustigen, war das Chaos perfekt.
Heute war der Regionalminister da, um die Verwüstungen zu begutachten. Wir alle hoffen, dass schnell viele Mittel genehmigt werden und die Straße, Brücken und Häuser wieder repariert werden. Dabei wird es sich aber ausschließlich auf die öffentlichen Infrastrukturen beschränken, denn selbst über die Mittel dafür wird diskutiert und ein Brücke brauchen wir nun wirklich.
Schlimm für die Menschen ist, dass sie ihr gesamtes Hab und Gut oder sogar Verwandte verloren haben und ich kenne keinen, der hier gegen so etwas versichert ist. Viele haben ja noch nicht mal eine Krankenversicherung. Außerdem haben in den betroffenen Gebiet besonders viele ärmere Familien gewohnt. Die mit mehr Geld haben außerhalb größere Häuser errichtet.
Leider kann ich das lokale Radio nicht verstehen, da es nur auf Fante ist, aber es ist auf jeden Fall eine Naturkatastrophe, die Swedru so noch nicht erlebt hat. Einige versuchen aber das beste daraus zu machen und sammeln die ganzen Hausgegenstände ein, um sie wieder zu verkaufen.
Seit Sonntagnacht geht das Wasser zurück und zum Glück hat es seitdem auch nicht mehr geregnet, allerdings donnert es momentan schon wieder und der Himmel ist dunkel. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation stabilisiert und kein weiterer Regen neues Wasser bringt, dass angeschlagenen Häuser und Straßen zum Einsturz bringt.
Das Fußballspiel Ghana Deutschland morgen kann ich nun nicht bei einem anderen Freiwilligen mit Beamer und Leinwand sehen, denn der wohnt in Swedru Nord und ich in Süd. So etwas wird bei einer Katastrophe diesen Ausmaßes aber unwesentlich.

Die Bilder sind am Monatgmorgen aufgenommen worden, 14 Stunden nach dem Scheitelpunkt der Flut.
Hier war mal der Bypass, eine Straße. Die Brücke steht noch halbwegs, die Straße zur Brücke ist weggespühlt. In der Nacht war das Wasser noch 150 Meter weiter ausgedehnt, als vom Standpunkt der Aufnahme.


Die Häuser waren in der Nacht vorher noch alle komplett überflutet.







Die Palmen standen vorher nicht im Wasser.



Selbst Steinhäuser sind zerstört, die Blech-, Lehm- und Holzhäuser in den Siedlungen wurden weggespühlt oder sind komplett eingestürzt.



Allerlei Hausrat ist angespühlt worden und sammelt sich an der Brücke. Die Wasserkante lag vor der Flut drei bis vier Meter unter der Brücke. In der Nacht war das Wasser höher als die Brücke.

2 Kommentare:

  1. Hi Maria,
    danke für dein Bericht. Wir sind völlig erschüttert. Schlimm das die Menschen alles verloren haben, auch viele Menschen gestorben sind. Wir haben nur ein Wunsch: Das Du gesund bleibst und sich die Menschen wieder ein Leben aufbauen können. Wir werden das das Ausmaß der Zerstörung ja alles in knapp vier Wochen auch ansehen können. Liebe Grüsse von Mama und Paps

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  2. Hallo Maria,
    komme nun auch endlich dazu, wieder mal in deinen blog zu schauen und dir mal zu schreiben. Sieht ja wirklich furchtbar aus. Vielen Dank in diesem Zusammenhang für deine Beschreibungen. Da können wir dir und deiner Gastfamilie (und natürlich auch allen anderen) nur alles Gute wünschen. Aber ich denke, daß wird schon. Liebe Grüße, Hubert & Co

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